In der Reihe Wildkräuter im Portrait stelle ich dir heute den Löwenzahn vor.
Denn der Löwenzahn ist in jeder Hinsicht eine faszinierende Pflanze. Man könnte fast einen Roman über ihn schreiben.
Die vielen Namen des Löwenzahns
Schon allein die vielen Namen, die der Löwenzahn sonst noch hat. An die 500 sollen es sein, kaum eine andere Pflanze hat so viele Namen – Namen, die noch dazu so aussagekräftig sind.
Löwenzahn
Den Namen Löwenzahn verdankt dieses Wildkraut seinen gezackten Blättern und seiner Lebenskraft. Kaum auszurotten ist er, der Löwenzahn, der Schreck jedes Rasenliebhabers.
Und von dieser Stärke gibt der Löwenzahn durchaus etwas ab, denn der Löwenzahn gilt als stärkende Pflanze.
Taraxacum officinale – das bittere Kraut
Sein lateinischer Name Taraxacum lehnt sich an das arabische „tarakshaqum“ an, was „bitteres Kraut“ bedeutet.
Ein treffender Name, denn Löwenzahn ist reich an Bitterstoffen, u.a. an dem nach ihm benannten Taraxin.
Bitterstoffe kennen wir beispielsweise von den Magenbittern, die man nach dem Essen trinkt, um die Verdauung anzuregen.
Bitterstoffe regen also die Verdauung an. Es werden vermehrt Verdauungssäfte freigesetzt, im Magen, im Darm und in der Bauchspeicheldrüse. Im Mund wird mehr Speichel produziert und nicht zuletzt produziert die Leber mehr Gallenflüssigkeit, die von der Gallenblase dann unter der Einwirkung der Bitterstoffe auch verstärkt in den Verdauungskanal abgegeben wird, so dass auch der Gallenfluss stimuliert wird.
Mit dieser verdauungsfördernden Wirkung verbunden ist auch die leicht abführende Wirkung des Löwenzahns.
Durch die Stimulation der Verdauung, die vermehrte Produktion von Gallenflüssigkeit und dem verbesserten Gallenfluss werden Leber und Darm intern im Körper produzierte und von außen zugeführte Gift- und Schadstoffe besser los.
Dies macht den Löwenzahn zusammen mit anderen bitterstoffhaltigen Wildkräutern zu einem wichtigen Bestandteil von Entgiftungskuren.
Durch die gestärkte Verdauung kommt es außerdem ganz allgemein zu einer verbesserten Aufnahme der in der Nahrung enthaltenen Makro- und Mikronährstoffe.
Die Schleimhäute des Verdauungstrakts werden gestärkt und der Körper in der Folge auch besser mit Nährstoffen, Mineralien, Vitaminen und Antioxidantien versorgt, und zu dieser guten Versorgung trägt der Löwenzahn auch selbst noch bei, da er sehr reich an ebendiesen Stoffen ist.
Kein Wunder, dass man „stark wie ein Löwe“ wird 🙂
In der Naturheilkunde wird der Löwenzahn daher bei Appetitmangel, Verdauungsproblemen mit Völlegefühl und Blähungen und bei Störungen des Gallenflusses eingesetzt.
Darüber hinaus trägt der Löwenzahn auch durch seinen hohen Eisengehalt und die damit verbundene blutbildende Wirkung zur Stärkung bei.
Pissenlit
Unsere französischen Nachbarn nennen den Löwenzahn „pissenlit“. Das bedeutet „ins Bett pinkeln“ und bezieht sich auf die harntreibenden Eigenschaften des Löwenzahns.
Auch in Deutschland gibt es jede Menge mundartliche Begriffe, die sich auf die Tatsache beziehen, dass Löwenzahn den Harnfluss stimuliert, weswegen er in der Naturheilkunde bei verschiedenen Nieren- und Harnwegsproblemen zum Einsatz kam und kommt.
In meiner süddeutschen Heimat verwendete man – zumindest in meiner Kindheit – noch den Begriff „Bettseicherle“.
Mælkebøtte
Und wenn wir uns schon den deutschen Nachbarländern zuwenden. Hier in Dänemark, wo ich seit über 30 Jahren wohne, wird der Löwenzahn „mælkebøtte“ – also Milchtopf – genannt.
Dieser Milchsaft ist übrigens zusammen mit dem hohlen Stengel ein charakteristisches Unterscheidungsmerkmal des Löwenzahns.
An den hohlen, mit Milchsaft gefüllten Stengeln erkennst du also, dass es sich wirklich um ein Exemplar von Taraxacum officinale handelt.
Denn der Löwenzahn hat viele nähere und fernere Verwandte.
Da wären beispielsweise andere Taraxacum-Arten, der Herbst-Löwenzahn (Leontodon officinalis) und der Steifhaarige bzw. Raue Löwenzahn (Leontodon hispidus).
Die beiden letzteren heißen zwar auch Löwenzahn, werden aber verwirrenderweise einer ganz anderen Gattung zugerechnet.
Außerdem wäre da noch das Gewöhnliche Ferkelkraut (Hypochaeris radicata) und der Wiesen-Pippau (Crepis biennis).
Das ist alles nicht weiter schlimm, denn diese Pflanzen sind ungiftig.
Verwechslung mit dem giftigen Jakobskreuzkraut
Ungeübte können jedoch besonders die noch nicht blühende Blattrosette des Löwenzahns auch mal mit dem richtig giftigen Jakobskreuzkraut verwechseln. Das Jakobskreuzkraut ist ein Neophyt, also eine Pflanze, die sich hier angesiedelt hat, traditionell aber hier nicht heimisch gewesen ist.
Die Blätter der noch nicht blühenden Blattrosette des Jakobskreuzkrauts haben eine gewisse Ähnlichkeit mit Löwenzahn und mit Rucola, die Blüten ähneln für in der Kräuterkunde nicht Bewanderte dem Johanniskraut und dem Wiesen-Pippau.
Das ist eines der Beispiele, warum ich dringend empfehle, als Neuling Kräuterkurse zu besuchen und Kräuterwanderungen mitzumachen und nicht einfach auf eigene Faust drauf loszuessen.
Zwar sind die allermeisten Pflanzen in Deutschland glücklicherweise nicht giftig – aber einige eben doch!
Pusteblume
Hast du als Kind nicht auch die kleinen „Fallschirmchen“ der Pusteblume weggepustet – und dir dabei vielleicht etwas gewünscht?
Im Volksmund heißt es, dass der Wunsch in Erfüllung geht, wenn man es schafft, alle Samen auf einmal wegzupusten.
So wird die Pusteblume auch zum Symbol der Träume, Wünsche und Sehnsüchte des Menschen.
Und mit dem überlebenstüchtigen, wandelfähigen Löwenzahn ist nicht zuletzt sehr viel Magie und Aberglaube verbunden.
Vielleicht hast du aus den gelben Blüten auch Kränze gebunden? Oder wie wir die Stengel aufgeritzt und in eine Wanne mit Wasser gelegt, weil sie sich dann so schön zusammenrollten?
Aber nicht nur für verspielte Kinder, auch für ernsthafte Naturwissenschaftler ist der Löwenzahn interessant.
Löwenzahnwurzeln
Während alle Teile des Löwenzahns essbar sind und auch in der Naturheilkunde seit alters her eingesetzt werden, ist besonders die lange Pfahlwurzel ein paar gesonderte Bemerkungen wert.
Sie ist das Speicherorgan des Löwenzahns, verwendet jedoch zur Speicherung von Energie keinen Zucker und keine Stärke, sondern Inulin. Viele Korbblütler, aber nicht nur diese, lagern Inulin ein. Beispielsweise Topinambur, Zichorien, Dahlien und Artischocken.
Inulin ist für Diabetiker interessant, da es den Blutzucker nicht schnell und stark ansteigen lässt.
Aber dem Inulin wird auch eine präbiotische Funktion zugeschrieben. Es ist ein wasserlöslicher Ballaststoff, der im Dünndarm nicht verdaut werden kann, sondern erst im Dickdarm von unserer Darmflora abgebaut wird. Mit Inulin „füttern“ wir sozusagen die „guten“ Darmbakterien, was unserer Darmflora – und damit letztendlich dem gesamten Menschen – zuträglich ist.
Einige Richtungen der Naturheilkunde setzen die Wurzeln des Löwenzahns auch zur Krebsbekämpfung ein, und auch dies ist inzwischen Gegenstand der Forschung.
Der Löwenzahn in meiner Rohkost
Vom zeitigsten Frühjahr bis zum spätesten Herbst ist Löwenzahn eine fast tägliche Zutat meiner Rohkost-Ernährung.
Da er in seiner Speicherwurzel Energie „über den Winter retten“ kann, legt er im Frühjahr schon sehr früh los. Gerade dann, wenn man es kaum noch erwarten kann, dass man endlich wieder so richtig frisches Wildgrün essen kann, ist er da!
Seine Blätter und Blüten wandern bei mir in Smoothies, in Salate, in frischgepresste Rohkostsäfte – und manchmal hole ich mir eine ordentliche Schüssel gemischte grüne Blätter als Snack aus dem Garten und mampfe sie, während ich einen guten Film anschaue 🙂
Aber wenn du die Blätter nicht einfach “nur so” essen möchtest, dann findest du hier auch sehr viele Rohkostrezepte mit Wildkräutern.
Ich selbst finde auch die Löwenzahnwurzeln total spannend und grabe sie ab und zu im Winter aus, um sie als Zutat für frischgepresste Löwenzahnsäfte zu verwenden. Mehr zu den Löwenzahnwurzeln und dazu, wie ich sie in Rohkostsäften verwende, findest du in den beiden Beiträgen Frisch gepresste Säfte mit Löwenzahnwurzeln und Löwenzahn-Shots.
Es gibt übrigens auch Kulturformen des Löwenzahns für den Anbau im Garten. Sie kommt aus Südeuropa, haben weniger Bitterstoffe und schmecken daher milder, sind größer und sehen sehr schön aus – wie der „wilde“ Löwenzahn auch 🙂
Wildkräuter sammeln
Dieser Artikel über den Löwenzahn ist Teil meines Wildkräuter-Specials hier auf meinem Blog. Dazu gehören auch eine interessante Einführung in die wunderbare Welt der Wildkräuter sowie praktische Tipps zum Sammeln von Wildkräutern.
Und … selbstverständlich … ganz, ganz viele Rohkost-Rezepte mit Wildkräutern.